Der Wunsch des Hochschul-Sozialwerks, seine fünf neuen Studentenwohnheime an der Max-Horkheimer-Straße 160 – 168 noch deutlich früher fertigzustellen, ging leider nicht in Erfüllung.
Allein drei Jahre gingen ins Land, bis der Grundstücksstreifen dem Voreigentümer, dem landeseigenen „Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW“ (BLB), zum vollen Marktpreis abgekauft werden konnte. Dann sorgte die überhitzte Baukonjunktur für Verzögerungen bei Ausschreibungen und im Bauablauf. Und schließlich kam auch noch Corona …
„Doch nun sind wir endlich am Ziel! Auch mit dieser anspruchsvollen Baumaßnahme schaffen wir bundesweit vorbildlichen und preisgünstigen Wohnraum - für weitere 132 Studierende in Wuppertal“, erklärte der Geschäftsführer des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal Fritz Berger bei der offiziellen Einweihung am 27.August 2020.
Schauplatz: ein schmaler schräger Hang auf dem Campus Grifflenberg
Das Baugrundstück gehörte zu den Reserveflächen der Hochschule. Die „Filetstücke“ daneben, ehemalige Landesgrundstücke, standen allerdings nicht zur Verfügung. Sie werden vom Eigentümer BLB bis auf weiteres an Kleingärtner verpachtet.
Der dem Hochschul-Sozialwerk verkaufte Randstreifen galt wegen des sehr schmalen Zuschnitts und der extremen Hanglage (18 m Höhendifferenz) lange als kaum bebaubar. Den beauftragten Architekten von „ACMS_ Architekten GmbH“ aus Wuppertal ist das Kunststück gelungen, diese standortspezifischen „Herausforderungen“ ins Positive zu wenden:
Die Hanglage wird genutzt zur höhenversetzten Erschließung der Häuser und zur Minimierung von Verkehrsflächen.
Die extreme Enge des Grundstücks wird mittels klug gestalteter landschaftsgärtnerischer „Grenzüberschreitung“ kompensiert. Das Grün der angrenzenden Kleingartensiedlung „fließt“ so zwischen den Häusern in die Außenanlagen der 5 Studentenwohnheime. Auf bienenfreundliche Sträucher wurde ebenso geachtet wie auf heimische Obstsorten und schmackhafte Kräuter, die von den Bewohnern geerntet werden können.
Zukunftweisend: „Vario“-Wohnungen für unterschiedliche Nutzer
Die Planung der ACMS_ Architekten erreichte im Rahmen der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit die höchste Innovationsstufe im Rahmen der Förderung von sogenannten „Vario-Wohnungen“.
Im Rahmen dieses Forschungsprogramms zum nachhaltigen und bezahlbaren Bauen wurde in Wuppertal ein Modulsystem entwickelt, mit dem Individualräume über unterschiedliche Gemeinschaftsbereiche „geschaltet“ werden können - vom Einzelappartement bis zur 6-Personen-WG.
Besonders an diesem Bauvorhaben ist die extrem komprimierte Erschließung. Diese ermöglicht eine besonders wirtschaftliche Organisation der unterschiedlichen Grundrisszuschnitte.
Dabei wirken die Gebäude mit ihren Fassaden keinesfalls gerastert oder uniform. Die profilierten Fassadentafeln legen sich wie ein unterschiedlich weit geöffneter Vorhang über die Grundstruktur. Dies schafft einen Ausgleich zwischen Offenheit und Abschirmung für die einzelnen Wohnbereiche. Es wird eine sehr differenzierte Gestaltung des Gebäudes geschaffen, die jedem Typus ein eigenes Gesicht gibt.
Goldstatus für besondere Nachhaltigkeit
Die 5 neuen Studentenwohnheime des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal erreichen „Goldstatus für besondere Nachhaltigkeit“. Diese Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB e.V. stellt im öffentlich geförderten Wohnungsbau eine Ausnahme dar. Mit dieser Auszeichnung werden Gebäude gekennzeichnet, die „in allen Kategorien der Nachhaltigkeit in besonderer Weise überdurchschnittliche Qualität“ vorweisen können.
Mit den Neubauten des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal wird in vielfacher Weise „gepunktet“:
- Reduzierung des Wohnflächenverbrauchs um 40% im Vergleich zum Bundesdurchschnitt
- die Nutzungsebenen können ohne Eingriffe in die Tragstruktur umorganisiert werden
- mittels Passivhaus- und KfW-40-Standard wurde der Energiebedarf auf 40% der EnEV-Anforderungen reduziert - durch den Anschluss an das am Grundstück vorbeilaufende Fernwärmenetz (Abwärme Müllverbrennung) erfolgt eine umweltfreundliche Energieerzeugung
- ökologische Gestaltung der Außenräume mit Dachbegrünung, reduzierter Versiegelungsfläche und „Urban Gardening“
- ca. 70% der Wohneinheiten sind barrierefrei, die übrigen sind vorgerüstet
der Bedarf an „grauer Energie“ wird über Holztafelkonstruktionen und Leichtbauweisen maßgebend reduziert, die Einsparung in den Fassadenkonstruktionen liegen beispielsweise bei über 200 Tonnen CO2 - Schaffung von Gemeinschaftsflächen in den Gebäuden und in den Freiflächen
- mittels E-Mobilität, Sharing-Konzepten und ÖPNV kann der Stellplatzbedarf für die Wohnanlage auf 20% reduziert werden.
Die Baukonstruktion – variabel und großzügig
In den 5 Baukörpern - 4 davon mit 3 Etagen, das obere Haus mit 6 Etagen - entstanden 132 großzügige studentische Wohnplätze in unterschiedlichen Wohnformen - als Einzel- und Doppelapartments sowie als 4-er und 6-er Gruppenwohnungen.
Jedem Bewohner stehen knapp 30 qm zur Verfügung. Die 16 Einzelappartements verfügen über eine eigene Küchenzeile, in den 22 Zweierappartements, den 4er- und 6er-Appartements ist diese im Gemeinschaftsbereich untergebracht. Wichtig: Zu jedem Zimmer, auch in den Gruppenwohnungen, gehört eine eigene Dusche und Toilette. Die Appartements sind mit barrierefreien Bädern ausgestattet. Die monatliche Miete – all inclusive, auch superschnelles Internet – beträgt 289,-€/Monat.
Der Konstruktionsanteil konnte durch besondere Betonkonstruktionen – zum Beispiel Spannbeton-Hohldielen für die Decken – reduziert werden, die wesentlich weniger Material erfordern.
Die Fassade gewährleistet durch ihre Holztafel-Bauweise mit vorgehängten, wartungsarmen Metallelementen eine extrem effiziente Wärmedämmung.
Da der gesamte Innenausbau in Trockenbauweise erfolgte, ist die Grundriss-Anordnung weitestgehend unabhängig von der Tragkonstruktion. So sind variable Grundrissanordnungen möglich, die sowohl den Förderbedingungen des sozialen Wohnungsbaus, als auch den - sich zukünftig möglicherweise ändernden – Nutzungsanforderungen der Bewohner Rechnung tragen.
An Raumtrennwände und Türen wurden sehr hohe Schallschutzanforderungen gestellt, denn Studenten nutzen ihre Wohnungen multifunktional. Ruhiges Arbeiten am Schreibtisch, Treffen zum gemeinsamen Essen oder das Feiern einer bestandenen Klausur - das passt nur bei gutem Schallschutz zusammen.
Das Farbkonzept für die dunkelrot und silberfarbig gehaltenen Fassaden sowie für die Innenräume entwickelten die Architekten in Zusammenarbeit mit Prof. Friedrich Schmuck, Folkwang-Hochschule, der bereits an der Modernisierung der Studentenwohnheime „Neue Burse“, „Max-Horkheimer-Str. 167/169“ und „Cronenberger Str. 256“ mitwirkte.
Auf PVC-Böden wurde komplett verzichtet: In allen Zimmern strahlt Eichenparkett Behaglichkeit aus, in Küchen und Gemeinschaftsräumen läuft man auf Linoleum, in Fluren und Treppenhäusern wurden die Beton-Oberflächen versiegelt.
Baukosten in Höhe von 15 Millionen Euro
Die Kosten der 5 neuen Studierenden-Wohnhäuser belaufen sich auf 15 Millionen Euro zzgl. 900 T€ für das Grundstück.
Das Hochschul-Sozialwerk Wuppertal erhielt 1,92 Millionen Euro als Zuschuss des Bundes-Bauministeriums im Rahmen des „Vario-Förderprogramms“.
Aus dem Kontingent der Stadt Wuppertal für sozialen Wohnungsbau bewilligte die NRW-Bank ein Darlehen von rund 6,9 Millionen Euro, auf das ein Tilgungszuschuss von 1,9 Mio. € gewährt wurde.
Zwei weitere KfW-Darlehen über zusammen 2,2 Millionen wurden über die Stadtsparkasse Wuppertal zur Verfügung gestellt.
In ihren Grußworten zur offiziellen Einweihung am 27.August 2020 begrüßten u.a. Bürgermeister Andreas Mucke, Staatssekretär Jan Heinisch (Bauministerium NRW) sowie Uni-Rektor Lambert T. Koch das Gelingen des ambitionierten Bauprojekts.
Norbert Brenken, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Hochschul-Sozialwerks Wuppertal, dankte allen, die dazu beigetragen haben, für die geleistete Unterstützung.